Studierende lernen mit Fraunhofer-Quantencomputer

Fraunhofer IOF ermöglicht studentische Experimente mit »IBM QSystemOne«

Exklusives Lernen mit dem ersten kommerziellen Quantencomputer der Welt: Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF hat Promovierenden und Studierenden ermöglicht, Quantenexperimente auf dem Quantencomputer »IBM QSystemOne« zu simulieren. Experimentelle Quantentechnologien dieser Art sollen künftig ein fester Bestandteil der Ausbildung und Weiterbildung in Jena werden.

Versuch macht klug: Frei nach diesem Motto haben Promovierende und Studierende in diesem Semester erstmals die Möglichkeit gehabt, komplexe Quantenexperimente auf dem Fraunhofer-Quantencomputer »IBM QSystemOne« durchzuführen. »Unser Ziel war es, echte state-of-the-art Quantenexperimente hands-on zugänglich zu machen«, erklärt Dr. Falk Eilenberger. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Frank Setzpfandt leitete er unter dem Titel »Experimental Quantum Technologies« einen Lab Course am Fraunhofer IOF und der Universität Jena.

© Fraunhofer IOF
Versuch macht klug: Studierende beim Experiment in einem Labor des Abbe Center of Photonics.

Ergänzt wurde das Lehrformat durch die Möglichkeit, gemeinsam Experimente auf dem Fraunhofer-Quantenrechner umzusetzen. »Wir lösen damit eines der Verspechen der Zweiten Quantenrevolution in der Lehre ein: Quantenphysik anschaulich begreifbar machen und in konkreten Beispielen erschließen«, so Setzpfandt.
 

Experimente im Bereich Quantenoptik und Quantencomputing

Maximal 18 Studierende und Promovierende konnten in diesem Semester an dem Praxiskurs teilnehmen – die Nachfrage jedoch war deutlich höher. Gemeinsam mit den Dozenten setzten sie auf dem Fraunhofer-Quantencomputer drei Experimente im Bereich Quantencomputing sowie sechs weitere zum Thema Quantenoptik um. Doch wie funktioniert die Arbeit auf dem ersten kommerziellen Quantencomputer, der von IBM am Standort Ehningen in Baden-Württemberg betrieben wird, überhaupt? »Die Quantencomputer werden in der Programmiersprache Python über eine Cloud ferngesteuert«, erklärt Eilenberger. »Dazu haben wir den Kursteilnehmenden interaktive Laborbücher zur Verfügung gestellt, in denen quantenphysikalischen und algorithmischen Aspekte dargestellt sind. Darüber hinaus werden in den Büchern die Grundlagen der Programmierung des Quantencomputers diskutiert.« Anschließend wurden die Teilnehmenden dazu angehalten, innerhalb dieser interaktiven digitalen Notebooks die Quantencomputer selbst zu programmieren. Weiterhin sollten sie lernen, die Ergebnisse auslesen und sinnvoll darstellen. »Dabei haben wir Probleme im Bereich der Simulation quantenoptischer Systeme sowie zum sogenannten Grover-Algorithmus gelöst«, erörtert Eilenberger weiter.

Grovers Algorithmus, auch bekannt als »Quanten-Datenbanksuche«, kann Lösungen unstrukturierter Probleme sehr viel schneller finden als klassische Rechner. Das Team aus Dozierenden, Promovierenden und Studierenden löste dabei zunächst das folgende Problem: a + b = 17. Das heißt: Die Teilnehmenden haben Zahlen für a und b gefunden, deren Summe 17 ergibt. »Das ist natürlich lediglich ein Spielzeugproblem«, erläutert Eilenberger. »Einen echten Quantenvorteil hingegen haben wir im Simulationsproblem zeigen können. Dort haben wir gezeigt, dass verschränkte Qubits, also Photonen, deutlich präzisere interferometrische Messungen erlauben als klassische Photonen.« Dieses Verfahren eigne sich nicht nur zur Verbesserung optischer Messtechnik, sondern auch zum Bau präziserer Uhren, erklärt der Quantenforscher. »Mittels des QSystemOne konnten wir einen echten Quantenvorteil für bis zu acht verschränkte Qubits demonstrieren!«

Didaktisches Neuland und wichtige Impulse für die Quantenausbildung in Jena

»Mit dieser Lehrveranstaltung haben das Fraunhofer IOF und die Universität Jena sowie ihre Partner didaktisches Neuland betreten«, urteilt auch Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF sowie des Institutes für Angewandte Physik an der Uni Jena. »Gleichzeitig zeigen wir damit aber auch, dass die standortbezogene Kooperation zwischen den beteiligten Einrichtungen wichtige Impulse für die Ausbildungsexzellenz vor Ort liefern.« Neben dem Abbe Center of Photonics, dem Hochschulzentrum der Uni Jena mit Schwerpunkt im Bereich Optik und Photonik, sowie dem Fraunhofer IOF war auch das Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V. in die Umsetzung der Lehrveranstaltung eingebunden.

Sowohl bei den Teilnehmenden als auch den Dozenten fand der Lab Course großen Anklang. Die Dozenten lobten die große Motivation der Studierenden, sich auch komplexen Fragestellungen anzunehmen und dabei exzellente Ergebnisse. »Die Studierenden haben sich voll reingekniet«, resümiert Dr. Falk Eilenberger über das studentische Engagement. Das Angebot soll aufgrund der intensiven Nachfrage in kommenden Semestern wiederholt werden.

»Experimentelle Quantentechnologien sollen künftig zu einem festen Bestandteil der Quantenausbildung hier in Jena werden«, wünscht sich Andreas Tünnermann. »Außerdem wollen wir zahlreiche Versuche aus diesem Praxiskurs digitalisieren, um auch die internationale Wahrnehmung des Standorts als Exzellenzschmiede in den Quantentechnologien zu verbessern.«

Exklusive Zugriffe auf den ersten kommerziellen Quantencomputer der Welt

IBM QSystemOne ist die erste Familie schaltkreis-basierter, kommerzielle Quantencomputer der Welt. Sie wurde Anfang 2019 von IBM vorgestellt. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat seit Januar 2021 exklusiven Zugriff auf einen der Quantenrechner, der am Standort Ehningen in Baden-Württemberg betrieben wird.

Der Zugang für Promovierende und Studierende wurde im Rahmen des Förderprogramms »Quantum Now«, einer Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft, ermöglicht. Mitarbeitenden des Instituts sowie Studierenden als potenziellen Nachwuchsforschenden soll durch dieses Programm die Möglichkeit eingeräumt werden, aktuelle Problemstellungen in den Bereichen Optik und Photonik zu adressieren, während sie sich gleichzeitig mit den Potenzialen der Quantentechnologien vertraut machen. Weitere Versuche im Bereich Quantenoptik wurden über die Initiativen »digiPhoton« und »qp-tech.edu« unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch das Leistungszentrums Photonik ermöglicht.