Jena | 16. November 2023
Wissenschaftspreis des Beutenberg-Campus Jena e.V. für interdisziplinäre Zusammenarbeit am Beutenberg verliehen
Jena | 16. November 2023
Ein interdisziplinäres Team aus Forschenden hat ein neuartiges, hochauflösendes und linsenloses Mikroskop entwickelt, das mit extrem ultraviolettem (EUV) Licht arbeitet. Das Mikroskop ermöglicht Bildgebung von biologischen Proben mit einer Rekordauflösung von bis zu 16 Nanometern. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, an der mehrere Partner des Jenaer Beutenberg Camups beteiligt waren, wurde nun mit dem Wissenschaftspreis des Beutenberg-Campus Jena e.V. ausgezeichnet.
Um gezieltere Heilmethoden für Krankheiten zu entwickeln, bedarf es eines genauen Wissens über die unterschiedlichen Stadien der Entwicklung von Krankheitserregern und deren Wechselwirkung mit befallenen Zellen. Extrem-ultraviolettes (EUV) Licht mit sehr kurzer Wellenlänge, eignet sich dafür besonders gut, da es Mikroskopie mit sehr hoher Auflösung (weniger als 20 Nanometer) erlaubt.
Jetzt konnte ein interdisziplinäres Forschungsteam um Dr. Jan Rothhardt – Mitarbeiter am Fraunhofer IOF sowie am Institut für Angewandte Physik (IAP) der Friedrich-Schiller-Universität Jena und am Helmholtz Institut Jena – komplexe mikrobiologische Proben, speziell Keimlinge des Pilzes Aspergillus nidulans und Escherichia coli Bakterien, mithilfe eines neuartigen hochauflösenden linsenlosen Mikroskops, welches mit extrem ultraviolettem (EUV) Licht arbeitet, untersuchen. Damit war es zum Beispiel möglich, den Spitzenkörper von A. nidulans und die chemische Zusammensetzung der Zellwand von E. coli Bakterien in unterschiedlichen Stadien der Zellteilung zu identifizieren. [1]
»Durch den hohen Elementkontrast der EUV-Strahlung und eine außergewöhnlich hohe räumliche Auflösung können subzellulare Strukturen der beiden Modellorganismen identifiziert und nachfolgend bekannten Organellen zugeordnet werden«, ist Dr. Falk Hillmann, Forscher für Evolution Mikrobieller Interaktionen am Leibniz-Hans-Knöll-Institut Jena, beeindruckt. Sein Team hat die biologischen Modellproben ausgesucht und dafür eine geeignete Präparationsmethode auf EUV-transparenten Siliziumnitrit-Membranen entwickelt.
Doch wie genau funktioniert diese neue Art der Bildgebung und was brauchte es für technische Neuerungen dafür? »Ein auf die Quelle angepasstes, neuartiges EUV-Mikroskop wurde in meiner Arbeitsgruppe realisiert. Es basiert auf der Ptychographie-Methode, einer speziellen Form der computergestützten, linsenlosen Bildgebung. [2] Das Mikroskop nutzt erstmals eine strukturierte EUV-Beleuchtung, die für eine hohe Auslösung und exzellente Bildqualität von entscheidender Bedeutung ist. [3] ›Strukturiert‹ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die EUV-Strahlung, die für die Beleuchtung der Probe verwendet wird, durch eine spezielle Beleuchtungsmaske geformt wird. Diese Maske ist so gestaltet, dass sie bestimmte Strukturen im Nanometerbereich auf die EUV-Strahlung überträgt. Dies können Muster, Linien oder andere Formen sein, die dann auf die biologische Probe projiziert werden. Die strukturierte EUV-Belichtung spielt eine entscheidende Rolle für die hohe Auflösung und exzellente Bildqualität des Mikroskops.«, erläutert Dr. Rothhardt.
Für die Auflösung und Bildqualität der mikroskopischen Abbildung ist die Beleuchtungsmaske maßgebend. Prof. Thomas Pertsch, Professor für Nano und Quantum Optics, IAP an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der deren Entwicklung vorangetrieben hat, hebt hervor: »Die Herstellung dieser EUV-Maske erfordert höchste Präzision. Es wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem absorbierende binäre EUV-Masken auf Basis dünner Metallfolien hergestellt werden können. Mittels fokussiertem Ionenstrahl wurde die Nanostrukturierung auf die Masken gebracht. Durch Kombination dieser nanostrukturierten Masken, der einzigartigen EUV-Lichtquelle und des neuartigen EUV-Mikroskops konnten wir eine Rekordauflösung von 16 Nanometern erzielen und in einem Auflösungstest nachweisen. [3] Da das EUV-Mikroskop in jedem Bildpixel quantitative Amplituden- und Phaseninformationen liefert, ist sogar die Identifikation der chemischen Zusammensetzung auf der Nanoskala möglich.«
Die hierfür nötige kompakte EUV-Lichtquelle wurde federführend in der Arbeitsgruppe von Prof. Jens Limpert am IAP sowie am Fraunhofer IOF entwickelt. Laser-getriebene kohärente EUV-Lichtquellen im Labormaßstab haben in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung erlebt. Am Institut für Angewandte Physik wurden bereits Rekordleistungen demonstriert, die in einigen Bereichen des EUV vergleichbar mit Synchrotron-Strahlquellen [4] sind. Die Laser-getriebenen EUV-Lichtquellen aus Jena können jedoch kostengünstiger betrieben und kompakt sowie portabel realisiert werden. Beides sind entscheidende Anwendungsvorteile gegenüber Synchrotron-Großforschungsanlagen.
»Die neue Methode im extremen Ultraviolett ermöglicht hochauflösende Bildgebung von biologischen Proben auf bisher unerreichte Weise«, betont Prof. Limpert die Bedeutung dieses wissenschaftlichen Meilensteins: »Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat es uns ermöglicht, ein kompaktes EUV-Mikroskop im Labormaßstab zu realisieren und an Mikroorganismen zu demonstrieren. Dies erweitert nicht nur die Anwendungsmöglichkeiten, sondern macht die Technologie auch zugänglicher.«
Diese besondere interdisziplinäre Zusammenarbeit über die Spitzenforschungsinstitute am Beutenberg wurde am 15. November mit dem Wissenschaftspreis des Beutenberg-Campus Jena e.V. geehrt, der erstmalig in der Kategorie »Exzellente interdisziplinäre Kooperation« vergeben wurde. »Diese Preisvergabe stellt genau das heraus, was der Campus lebt und ihn besonders macht: Spitzenforschung mit herausragendem Anwendungsbezug über Fachgrenzen hinaus, eben »...where life science meets physics!«, freut sich Dr. Christiane Meyer, wissenschaftliche Referentin des Beutenberg-Campus e.V.
[1] C. Liu, W. Eschen, L. Loetgering, D. S. Molina, R. Klas, A. Iliou, M. Steinert, S. Herkersdorf, A. Kirsche, T. Pertsch, F. Hillmann, J. Limpert, and J. Rothhardt, »Visualizing the ultra-structure of microorganisms using table-top extreme ultraviolet imaging«, PhotoniX 2023 4:1 4(1), 1–15 (2022).
[2] P. Thibault, M. Dierolf, A. Menzel, O. Bunk, C. David, and F. Pfeiffer, »High-resolution scanning x-ray diffraction microscopy«, Science 321(5887), 379–82 (2008).
[3] W. Eschen, L. Loetgering, V. Schuster, R. Klas, A. Kirsche, L. Berthold, M. Steinert, T. Pertsch, H. Gross, M. Krause, J. Limpert, and J. Rothhardt, »Material-specific high-resolution table-top extreme ultraviolet microscopy«, Light: Science & Applications 2022 11:1 11(1), 1–10 (2022).
[4] R. Klas, A. Kirsche, M. Gebhardt, J. Buldt, H. Stark, S. Hädrich, J. Rothhardt, and J. Limpert, »Ultra-shortpulse high-average-power megahertz-repetition-rate coherent extreme-ultraviolet light source«, PhotoniX 2(1), 1–8 (2021).