Fraunhofer IOF lieferte hochpräzise Spiegel für das bisher größte Weltraumobservatorium der Menschheit
James-Webb-Weltraumteleskop startet mit Jenaer Optiken an Bord ins All
Es ist das größte und leistungsstärkste Weltraumteleskop, das jemals ins All gestartet ist: das James-Webb-Weltraumteleskop. Am 22. Dezember tritt es seine Reise zu den Sternen an. Das Teleskop soll bahnbrechende Erkenntnisse für die wissenschaftliche Fernerkundung sowie über die frühe Geschichte des Universums liefern – und vielleicht sogar Leben im All entdecken. Mit an Bord: hochpräzise Spiegel, hergestellt am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena.
Update (15. Dezember, 14.36 Uhr): Der Start des James-Webb-Weltraumteleskops wurde auf frühestens den 24. Dezember verschoben
Seit mehr als zehn Jahren warten Astronominnen und Astronomen sehnsüchtig darauf: den Start des James-Webb-Weltraumteleskops. Es soll die Nachfolge des bereits seit 1990 im All stationierten Hubble-Weltraumteleskops antreten und einen noch tieferen und brillanteren Blick ins Universum ermöglichen als sein prominenter Vorgänger. Am 22. Dezember soll es nun endlich soweit sein. James-Webb tritt seine Reise zur Erkundung ferner Galaxien an und soll Antworten auf die großen Fragen des Universums geben. Wie sah z. B. das frühe Universum aus und wie sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden? Aber auch: Gibt es Leben im Weltall und für uns bewohnbare Planeten?
Fraunhofer IOF steuerte hochpräzise Spiegel für Messinstrument »MIRI« bei
Um seinem Forschungsauftrag nachzukommen, befinden sich insgesamt vier wissenschaftliche Instrumente an Bord des Teleskops. Zwei davon hat (anteilig) die Europäische Weltraumorganisation (ESA) beigesteuert. Von diesen wiederum ist das »Mid InfraRed Instrument« (MIRI) mit Spiegeln ausgestattet, die am Fraunhofer IOF in Jena gefertigt und vergütet wurden.
Bei MIRI handelt es sich um ein Messinstrument bestehend aus einer Kamera und einem Spektrometer. MIRI arbeitet im Infrarot-Bereich bei einer Wellenlänge von 5 bis 28 Mikrometern. Selbst kleine und lichtschwache Objekte lassen sich damit bis ins Detail analysieren. Das Instrument ist so empfindlich, dass es sogar eine Kerze auf einem Jupitermond in einem Abstand von ca. einer Milliarde Kilometer von der Erde sehen kann.
Die dafür notwendigen Spiegel im Herzen von MIRI wurden am Fraunhofer IOF hergestellt. Im Jenaer Forschungsinstitut wurden diese ultrapräzisen Spiegel diamantgedreht und beschichtet. »Diamantdrehen ist ein leistungsfähiges Fertigungsverfahren zur Herstellung planarer und gekrümmter optischer Oberflächen. Heute, mehr als 10 Jahre nach der MIRI-Entwicklung, werden am Fraunhofer IOF freigeformte Oberflächen – also Spiegel ohne Symmetriemerkmal – erfolgreich mit dieser Technik gefertigt«, erklärt Dr. Stefan Risse, Leiter der Abteilung für Präzisionsoptische Komponenten und Systeme am Fraunhofer IOF. Seine Abteilung stellte die Spiegel her. »Mit einer Kombination aus Diamantdrehen und Polierverfahren können Metalloptiken so präzise gefertigt werden, dass ein Oberflächenprofil mit Genauigkeiten im Nanometerbereich und Rauheiten im sub-Nanometerbereich – also extrem glatte Oberflächen mit Rauheitswerten von wenigen Angström – erzeugt werden«, erläutert Risse weiter.
Auch Kalibrierung des Instruments »NIRSpec« mithilfe von Jenaer Know-how
Doch MIRI ist nicht das einzige Instrument, das mithilfe von Jenaer Know-how startklar für die Mission gemacht wurde. Mit der Herstellung einer Radiometrischen Kalibrierungsspektralquelle (RCSS) waren Jenaer Forschende auch an der Realisierung des »Near Infrared Spectrograph« (NIRSpec) beteiligt. NIRSpec fungiert als eine Art »Superauge« des Weltraumteleskops. Es soll die noch heute messbare Strahlung der ersten Sterne und Galaxien aufspüren und analysiert zu diesem Zweck Licht im Wellenlängenbereich von 0,7 bis 5 Mikrometer.
Anders als die Spiegel für MIRI, fliegt das RCSS selbst nicht mit ins All. Das Instrument kam stattdessen in Vorbereitung der Mission bereits am Boden zur Kalibrierung des NIRSpec zum Einsatz. Die Kalibrierung erfolgte dabei mithilfe eines winzigen Spiegels, der sich im Inneren der Kalibriereinheit befindet. Er ist als Miniatur im Maßstab 1:4400 dem insgesamt sechs Meter breiten Hauptspiegel des JWST nachempfunden und ermöglichte es, den Spektrographen auf die vor ihm liegende Arbeit im Weltall genau einzustellen.
Start des Weltraumteleskops kurz vor 30. Jubiläum des Fraunhofer IOF
Für die Abteilung von Dr. Risse war die Beteiligung am James-Webb-Weltraumteleskop seinerzeit das erste Weltraumprojekt. »Über 15 Jahre ist es nun schon her, dass wir die Spiegel für MIRI an unseren Auftraggeber ausgeliefert haben«, erinnert sich der Abteilungsleiter. »Aber Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die Raumfahrtforschung nehmen aufgrund der enormen Anforderungen und der meist zahlreichen Kooperationspartner immer viel Zeit und Geduld in Anspruch.« Das James-Webb-Teleskop wurde in enger Zusammenarbeit der US-amerikanischen (NASA) sowie der europäischen (ESA) und der kanadischen (CSA) Weltraumbehörde realisiert. Das Instrument MIRI wurde dabei speziell im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Europa und den USA entwickelt.
Nach dem langen Warten blickt das Team am Fraunhofer IOF – gemeinsam mit Astronomie-Freunden auf der ganzen Welt – nun umso erwartungsvoller auf den langersehnten Start des Teleskops am 22. Dezember. »Es ist eine große Ehre für uns, bei einem solch wissenschaftlichen Großprojekt beteiligt zu sein«, kommentiert Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF. »Unser Beitrag fußt dabei auf Kompetenzen, die seit der Gründung des Instituts im Jahr 1992 hier in Jena aufgebaut werden konnten. Wir warten nun mit Spannung auf die ersten Bilder, die Webb uns liefern wird. Es werden Blicke sein, die so tief ins Universum reichen wie noch nie zuvor.«
Infrarotes Licht ermöglicht den Blick in die Vergangenheit
Um Antworten auf seine leitenden Forschungsfragen zu finden, analysiert Webb das Licht im Universum. Genauer gesagt, das Licht im Spektralbereich des nahen bis mittleren Infrarots. Für das menschliche Auge ist Licht in diesem langwelligen Bereich nicht sichtbar. Für die Wissenschaft jedoch liefert die Analyse von Licht dieser Wellenlänge wichtige Erkenntnisse, indem es nahezu unsichtbare Photonen im Universum sammelt. Licht aus dem Nahinfrarotbereich kann z. B. durch dicke Staubwolken hindurchdringen und damit den Blick freigeben auf entstehende Sterne, die von diesen umhüllt werden. Damit können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Erkenntnisse gewinnen, wie Galaxien entstehen.
Und sogar ein Blick in die Vergangenheit ist mit Webb möglich. Da infrarotes Licht aus fernen Galaxien durch den sich ausdehnenden Weltraum zu uns reist, kann das bisher größte Weltraumteleskop der Menschheit das Licht von frühen Sternen der ersten Galaxien aus der Entstehungszeit unseres Universums einfangen. Aus diesem »weitgereisten« Licht lassen sich Erkenntnisse über die Frühgeschichte des Universums nach dem Urknall vor mehr als 13,5 Milliarden Jahren gewinnen.