Neuer Knotenpunkt für Quantenkommunikation in Deutschland entsteht in Erfurt / Startschuss für neues Forschungsprojekt Q-net-Q
»Auf der zukünftigen Quantenautobahn führt kein Weg mehr an Thüringen vorbei«
Der Freistaat Thüringen will zu einem wichtigen Knotenpunkt für das deutsche Quantennetz werden. Mit verschiedenen Projekten treiben Land, Bund und die Europäische Union den Ausbau eines Netzwerkes zur Quantenkommunikation in Deutschland voran. Bereits bestehende Teststrecken zur Erforschung quantengesicherter Faserverbindungen zwischen Erfurt und Jena sollen nun durch neue Abschnitte in Richtung Nordhausen sowie perspektivisch Berlin und Frankfurt am Main erweitert werden. Mit einem Besuch des Thüringer Wissenschaftsministers Wolfgang Tiefensee am Donnerstag am Fraunhofer-Zentrum in Erfurt fiel der Startschuss für den weiteren Streckenausbau, der im Rahmen des neuen Forschungsprojektes Q-net-Q erfolgt.
Mitten im Herzen von Deutschland liegt er: der Freistaat Thüringen. Und in seinem Herzen wiederum die Landeshauptstadt Erfurt. Schon aufgrund dieser geografischen Lage ist Erfurt prädestiniert, um ein zentraler Knotenpunkt für ein zukünftiges Quanten-Netzwerk in Deutschland zu werden. Dieses Potential hat der Freistaat erkannt und fördert vielfältige Projekte, die die Erforschung der Quantenkommunikation sowie des Quantencomputing vorantreiben.
Am Donnerstag besuchte Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee das Fraunhofer-Zentrum in Erfurt, um den Fortschritt bereits bestehender Forschungsprojekte zu begutachten und den Startschuss für die Erweiterung des Quantennetzwerkes in Deutschland zu geben. »Thüringen ist einer der führenden Standorte im Bereich der Quantenkommunikation. Als Land investieren wir seit Jahren gezielt in den Ausbau der dafür benötigten Kompetenzen und Infrastrukturen. Die Erweiterung der bestehenden Teststrecke ist ein weiterer großer Schritt in diese Richtung. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für eine sichere Quantenkommunikationsinfrastruktur in ganz Deutschland. Thüringen wird mit seinen Forschungseinrichtungen und Unternehmen darin künftig einen zentralen Knotenpunkt bilden«, erklärte er bei seinem Besuch.
Bestehende Faserstrecke wird auf über 150 Kilometer erweitert
Mit Mitteln des Landes wurde bereits eine Glasfaser-Teststrecke zwischen dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena und dem Fraunhofer-Zentrum in Erfurt etabliert. Hier wurden auf einer Distanz von 75 Kilometern – im Rahmen der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Initiative QuNET – bereits erfolgreich Quantenschlüssel zwischen den Thüringer Metropolstädten ausgetauscht.
Der besondere Clou dabei: Für die Teststrecke konnte auf eine bereits bestehende Infrastruktur aus konventionellen Telekommunikations-Glasfasern zurückgegriffen werden. Das bedeutet, es musste keine neue, aufwendig zu installierende Infrastruktur realisiert werden. Gegenstand der Forschung ist aktuell, wie sich die neusten Systeme zur sogenannten Quantenschlüsselverteilung in diese bestehenden Netzwerke integrieren und für verschiedene Anwendungsfelder nutzbar machen lassen.
Um dieser Frage nachzugehen, ist eine Erweiterung der Teststrecke geplant, die nun weiter voranschreitet: An die bereits bestehende Verbindung zwischen Jena und Erfurt werden bis 2024 die Thüringer Gemeinden Nordhausen und Sundhausen angeschlossen. Weiterhin wird innerhalb von Jena auch das Universitätsklinikum an die Teststrecke angekoppelt. Damit wird die faserbasierte Teststrecke auf eine Gesamtlänge von mehr als 150 Kilometern ausgedehnt. Bis voraussichtlich Ende 2024 sind weitere Streckenabschnitte bis nach Berlin und Frankfurt am Main geplant.
Drehkreuz dieses geplanten Netzwerkes wird dabei das Fraunhofer-Zentrum in Erfurt sein. »Auf der zukünftigen Quantenautobahn führt kein Weg mehr an Thüringen vorbei«, kommentierte Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF, am Donnerstag in Erfurt. Die Netzwerkerweiterung und der damit verbundene Ausbau strategischer Kooperationen auf dem Gebiet der Kommunikations- und Informationstechnik erfolgt im Rahmen eines neuen Forschungsprojektes mit Namen Q-net-Q.
Erweiterte Faserstrecke erprobt zunächst zum Austausch von Patientendaten
Im Projekt Q-net-Q sollen unter Leitung der Hochschule Nordhausen und mit Beteiligung des Fraunhofer IOF zunächst exemplarisch die Anwendungspotentiale der hochsicheren Quantenkommunikation für telemedizinische Software getestet werden. Der leitende Gedanke dahinter: Häufig leiden speziell ländliche Regionen unter einem gravierenden Mangel an (Fach-)Ärztinnen und Ärzten. Ein schnellerer und vertraulicher Austausch von Patientendaten zwischen urbanen und ländlichen Räumen könnte die medizinische Versorgung in Zukunft daher nicht nur bequemer und effizienter gestalten, sondern im Zweifelsfall sogar Leben retten.
Vor diesem Hintergrund wird auch die Thüringer Gemeinde Sundhausen als Beispiel für eine ländliche Region an die neue Glasfaser-Teststrecke angebunden werden. Erste konkrete Anwendungsfälle für den neuen Streckenabschnitt zwischen Sundhausen und dem Universitätsklinikum Jena sollen zum einen im Bereich der Nachbetreuung (bspw. post-stationärer Klinikaufenthalt) für Post-COVID-Patienten liegen, zum anderen in der neurologischen Früherkennung mittels digitaler Tests (etwa am Beispiel Demenzerkennung).
Weiterer Streckenausbau in 2024 bis nach Berlin und Frankfurt a.M. geplant
Auf den weiteren, geplanten Streckenabschnitten bis nach Berlin und Frankfurt am Main wird hingegen perspektivisch der Datenaustausch zwischen Rechenzentren und in Hochgeschwindigkeitsverbindungen im Mittelpunkt der Forschung stehen. »Im Rahmen des Projektes Q-net-Q wollen wir grundsätzlich erforschen, wie die physikalisch sicher erzeugten Quantenschlüssen aus QKD-Systemen im heutigen Internet zur Absicherung von Kommunikationswegen effizient integriert werden können«, erklärt Prof. Dr. Thomas Hühn von der Hochschule Nordhausen das übergeordnete Projektziel.
Rund 12 Millionen Euro Förderung für Q-net-Q durch EU und BMBF
Das Projekt Q-net-Q wird im Rahmen des europäischen Programmes EuroQCI umgesetzt. Die EU und das BMBF fördern das Projekt mit insgesamt 11,8 Millionen Euro.
Dem Forschungsverbund Q-net-Q gehören neben dem Fraunhofer IOF und der Hochschule Nordhausen, die als Konsortialführer fungiert, weitere fünf akademische Partner an: die Technische Universität München, die Technische Universität Berlin, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie das Fraunhofer HHI. Weiterhin sind mit der Utimaco GmbH und der DE-CIX Management GmbH auch zwei Industriepartner in das Projekt involviert.