Neues (Quanten-)Werkzeug für die Biomedizin

Methode zur Rauschentfernung macht innovative Quantenbildgebung künftig auch im Alltagslabor möglich

Jena / Darmstadt / Barcelona | 29. November 2023

Die Quantenbildgebung verspricht große Fortschritte in der Biomedizin. Das Verfahren war bisher jedoch anfällig für störendes Umgebungslicht und damit nicht geeignet für die Anwendung im Alltagslabor. Forschende aus Jena, Darmstadt und Barcelona haben mithilfe einer speziellen Destillationstechnik nun ein neues Verfahren entwickelt, das dieses Problem löst. Auf diese Weise kann die Spezifikation von Tumorzellen in Zukunft noch präziser und praxistauglicher werden.  Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun in einem Beitrag bei »Science Advances« veröffentlicht.  

Ist es möglich, Bilder von Objekten aufzunehmen, ohne dass das Licht diese Objekte überhaupt berührt? Das wäre zum Beispiel in der Krebsdiagnostik von großem Vorteil. Hier könnte in Zukunft Infrarot-Mikroskopie eingesetzt werden, um Gewebeproben ohne den Einsatz von Kontrastmitteln, wie sie bei herkömmlichen Verfahren wie etwa der Mikroskopie oder Spektroskopie mit sichtbarem Licht verwendet werden, zu untersuchen. Bisher bestand das Problem bei der Mikroskopie im extremen Wellenlängenbereich jedoch in der verminderten Qualität der Bilder. Mit Hilfe der Quantenphysik können diese Unterschiede künftig überwunden werden.

Quantenbildgebung ermöglicht Einblicke in bisher unbekannte Wellenlängenbereiche


Um mittels Quantenbildgebung potenzielles Tumorgewebe zu untersuchen, verwenden die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF aus Jena, der Technischen Universität Darmstadt sowie des Barcelona Institute of Science and Technology einen nichtlinearen Kristall. Dieser wird mit einem Laser bestrahlt und sendet korrelierte Lichtteilchen, sogenannte verschränkte Photonenpaare, aus. Eines dieser Photonen wird zur Gewebeprobe gesendet, die abgebildet werden soll, während sein »Zwilling« auf einen optischen Bildsensor fällt. Während also das eine Photon das Objekt beleuchtet, erfasst die Kamera nur seinen Zwilling. Durch die Verschränkung der Teilchen wird die am Gewebe aufgenommene Information, an die von der Kamera detektierbaren Photonen übertragen und sichtbar gemacht, wodurch ein Bild des Objekts entsteht.

Ein Problem blieb jedoch bisher bestehen: Die Quantenbildgebung ist anfällig für Störungen durch Umgebungslicht und muss daher in einer isolierten Umgebung stattfinden. Das schränkt das Verfahren in der Praxis bisher ein. Die Forschenden haben nun ein Verfahren so perfektioniert, dass die Quantenbildgebung kaum noch vom Umgebungslicht, vom sogenanntem »optischen Rauschen«, beeinflusst wird.

Quanten-Imaging-Destillation mit nicht-detektiertem Licht

Innerhalb eines Experiments konnte das Forscherteam mittels einer Destillationstechnik ein Quantenbild von Rauschen bereinigen. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden, die die gemeinsame Detektion von Photonenpaaren verwenden, stellen die Forscher hier eine Quanten-Imaging-Destillationstechnik vor, die nur die Detektion einzelner Photonen verwendet. Dieser Ansatz zur Bildreinigung basiert auf der interferometrischen Modulation des interferierenden Signals. Dabei wird das ursprüngliche Signal in der Helligkeit variiert, während sich das optische Rauschen zeitlich nur sehr schwach ändert. Dies ermöglicht es, beide Signale voneinander zu trennen und das Störlicht zu entfernen.

Die Forschenden konnten die Wirksamkeit dieses Verfahrens nachweisen, indem sie ein Rauschbild, also ein unerwünschtes Signal, zusätzlich zum Quantenbild auf den Bildsensor projizierten und dieses anschließend erfolgreich entfernten. Selbst bei Störlicht, das bis zu 250-mal intensiver war als das Licht, das das Bild erzeugte, funktionierte die Methode. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen basierend auf ihren Berechnungen davon aus, dass sie sogar Störlicht, das bis zu 1000-mal intensiver ist, erfolgreich entfernen können.

Neues Werkzeug für die Biomedizin

 

Das neue Verfahren stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Quantenbildgebung dar. Am Fraunhofer IOF soll nun ein Laboraufbau eines Quanten-Bildgebungssystems in einen feldtauglichen Demonstrator transferiert werden. Das Hauptziel dieses Vorhabens ist die Entwicklung eines hochentwickelten Quanten-Bildgebungssystems, das nahtlos in ein Rastermikroskop integriert werden kann. Diese Spitzentechnologie ist ein entscheidender Schritt zur Revolutionierung der Bildgebungsverfahren in verschiedenen Bereichen, darunter Medizin und Materialwissenschaften.

Das Verfahren der Quanten-Imaging-Destillation mit nicht-detektiertem Licht, bietet laut Projektleiter Prof. Dr. Markus Gräfe von der TU Darmstadt ein vielversprechendes »Werkzeug für die Biomedizin«. Hier wird Infrarotlicht häufig zur Probenanalyse genutzt. Wenn die eigentliche Detektion jedoch mit sichtbarem Licht erfolgt, gelangt mehr Information in die Bilder, so die Hoffnung. Obwohl die Idee der Nutzung der Quantenbildgebung für dieses Zweckfeld nicht neu ist, zeichnet sich das neue Verfahren durch den Verzicht auf aufwändige Abschirmungsmaßnahmen aus und könne so einfach in ein alltägliches Laborumfeld integriert werden.

Das Experiment fand im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte – darunter QUILT, Multi-Use, SPECTRA und dem Quantum-Hub Thüringen – statt. Das Projekt QUANCER setzt die Arbeit in diesem Forschungsbereich aktuell fort.

Festkörper Quantenoptik
© Fraunhofer IOF
Festkörper Quantenoptik

Original-Publikation


Jorge Fuenzalida, Marta Gilaberte Basset, Sebastian Töpfer, Juan P. Torres, Markus Gräfe: »Experimental quantum imaging distillation with undetected light«, Science Advances, Vol. 9, No. 35: DOI: 10.1126, URL: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adg9573.