Jenaer Forschende greifen nach den Sternen

Start-Ups, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Politik vernetzen sich am Fraunhofer IOF

Jena

Ob hochpräzise Optiken im James-Webb-Teleskop oder ein Spiegel-Teleskop zur Erdbeobachtung auf der ISS – Jenaer Photonik-Forschende sind an vielen Luft- und Raumfahrtmissionen beteiligt. Am 25. August kamen Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, Industrie und Politik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF zusammen, um aktuelle Herausforderungen dabei zu diskutieren. Mit dabei: Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN).

»Jena ist seit 200 Jahren Hotspot der deutschen Optik- und Photonik-Forschung. Wir liefern Schlüsseltechnologien für verschiedenste Märkte – von Mobilität bis Medizintechnik. Angesichts aktueller Herausforderungen wie Klimawandel und Datensicherheit werden zukünftig aber vor allem Photonik-Anwendungen für die Raumfahrt immer wichtiger« sagt Prof. Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF.

Mit geballtem Photonik-Knowhow wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Jena dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen – zum Beispiel durch die Erforschung quantenverschlüsselter Satellitenkommunikation oder die Entwicklung von Instrumenten zur Klimabeobachtung. Durch Start-Up-Gründungen und die enge Vernetzung zwischen Forschung und Industrie ist hierfür in Jena ein wahres »Innovations-Ökosystem« entstanden. Mitglieder dieses Netzwerks trafen sich am 25. August zum Austausch am Jenaer Fraunhofer-Institut.

»Wir haben es in Thüringen geschafft, Wissen aus zwei Jahrzehnten Forschung erfolgreich in die Industrie zu überführen. Damit sind wir ein gutes Beispiel, wie Kooperation und Transfer funktionieren können« sagte Dr. Matthias Beier, Mitgründer und Geschäftsführer der SPACEOPTIX GmbH. Die Ausgründung des Fraunhofer IOF realisierte unter anderem ein Spiegelteleskop, das von der ISS aus Oberflächentemperaturen misst und dadurch Rückschlüsse auf das globale Klima und den Wasserhaushalt verschiedener Regionen ermöglicht. »Dieses Projekt zeigt, was gezielte Förderung durch die Politik möglich machen kann« ergänzte Dr. Sebastian Händschke, Projektleiter des Digital Innovation Hub Photonics. Das vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft geförderte Hub unterstützt die Gründer beim Aufbau ihres Start-Ups.

Davon zeigten sich auch die anwesenden Gäste der Bundesregierung beeindruckt. Bundestagsabgeordnete Dr. Anna Christmann, die sowohl Beauftragte der Regierung für Luft- und Raumfahrt als auch Beauftragte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für Digitale Wirtschaft und Start-Ups ist, besuchte das Institut und tauschte sich mit den Teilnehmenden über den Standort Jena als einen zentralen Luft- und Raumfahrt-Hub in Deutschland aus. »Es ist ausgesprochen spannend, solche Innovations-Ökosysteme wie hier in Jena kennenzulernen«, erklärte Christmann.

Anna Christmann zu Besuch am Fraunhofer IOF
© Fraunhofer IOF
Dr. Anna Christmann (MdB, Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, Beauftragte des BMWK für die Digitale Wirtschaft und Start-Ups), Dr. Heiko Knopf (Stellvertretender Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die Grüne) und Prof. Andreas Tünnermann (Leiter des Fraunhofer IOF) im Gespräch über aktuelle Herausforderungen in der Forschung.

Doch bei aller Begeisterung über die facettenreiche Photonik-Forschung am Standort wurden auch aktuelle Herausforderungen wie Energiesicherheit, Wege zu CO2-neutraler Forschung und Fachkräftemangel kritisch diskutiert. »Wir brauchen Programme, die junge, internationale Fachkräfte anziehen und ihnen die Möglichkeit bieten, eigene Ideen zu entwickeln und den Forschungsstandort Deutschland zu prägen«, forderte Prof. Tünnermann und stellte Jena als ideale Modellregion für entsprechende Projekte heraus. Die enge Verbindung von Universität, Forschungsinstituten und Industrie bieten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hier einzigartige Karrieremöglichkeiten – sei es in der Forschung oder im eigenen Unternehmen.

 

Vom Klimawandel bis zum Urknall: Laufende Space-Projekte am Fraunhofer IOF

Das Fraunhofer IOF ist derzeit in verschiedenste Space-Projekte involviert: Für das James-Webb-Teleskop etwa steuerte das Institut hochpräzise Spiegel bei. Das bisher größte und leistungsstärkste Weltraumobservatorium der Menschheitsgeschichte hatte erst im Juli die ersten Aufnahmen aus den Tiefen des Weltalls zur Erde nachhause geschickt und damit eine internationale Community aus Forschenden und Astrofreunden in helle Aufregung versetzt: Die Bilder zeigten Galaxien, deren Licht bis zu 13 Milliarden Jahre durch den Weltraum gereist ist – und damit aus der Zeit des Urknalls stammen.

Die Umweltmission EnMAP hingegen wendet den Blick in Richtung Zukunft: Mit dem ersten deutschen Hyperspektralsatelliten sollen die Folgen des Klimawandels analysiert und potenzielle Naturgefahren sichtbar gemacht werden. Für das Projekt wurden insgesamt elf Spiegel sowie diverse optische Schichten für Teleskop- und Spektrometer-Optiken am Fraunhofer IOF hergestellt.

Anstehende Projekte sind weiterhin die für 2023 geplanten ESA-Mission JUICE zur Erforschung des Jupitermondes Ganymed. Forschende des Fraunhofer IOF waren hier an der Realisierung eines Hochleistungsteleskops beteiligt.