Mission »Gaia«: Das Fraunhofer IOF und die Vermessung der Galaxie
Die Gaia-Mission der ESA hat den umfangreichsten Sternenkatalog der Menschheitsgeschichte hervorgebracht. Dazu zählen hochpräzise Angaben zu den Positionen von fast 1,7 Milliarden Sternen sowie zu bisher nicht sichtbaren Details unserer Galaxie. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena hat für die Mission ein entscheidendes Bauteil geliefert – ein Spektrometergitter für die Vermessung der Sternenbewegung.
Astronomen auf der ganzen Welt haben sehnsüchtig darauf gewartet: Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat kürzlich ihre erste vollständige 3D-Karte der Milchstraße aus gesammelten Daten der Gaia-Mission veröffentlicht. Der Datenkatalog umfasst die Positionen von fast 1,7 Milliarden Sternen und die Entfernungen, Farben, Geschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen von etwa 1,3 Milliarden von ihnen. Zusammen zeigen die Daten einen beispiellos großen Ausschnitt des Weltraums – 1000 Mal größer als jede vorherige Untersuchung.
Das 2-Tonnen-Gaia-Raumfahrzeug startete Ende 2013 und begann im Juli 2014 mit der Sammlung wissenschaftlicher Daten. Dazu wurden wiederholte Messungen durchgeführt, um die Entfernungen von Sternen und anderen Himmelsobjekten zu bestimmen. Eines der dafür verwendeten Instrumente ist das »Radial Velocity Spectrometer« (RVS), für das eine Schlüsselkomponente unter Leitung von Prof. Uwe D. Zeitner am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena entwickelt wurde. Zentrales Bauteil des Spektrometers ist ein Transmissionsgitter, mit Hilfe dessen über eine Rotverschiebung des Spektrums die Eigenbewegung der Sterne bestimmt wird. Hergestellt wurde es am »Center for Advanced Micro- and Nano-Optics« des Fraunhofer IOF, das ebenfalls unter die Leitung von Prof. Zeitner fällt.
Langjährige Erfahrung in mikro- und nanostrukturierter Optik
Von den insgesamt 1,7 Milliarden Sternen sind allein für 7 Millionen über RVS-Daten deren Radialgeschwindigkeiten ermittelt worden – ein Riesenerfolg für das Team rund um Projektleiter Uwe Zeitner. »Wir freuen uns sehr, dass wir für die Gaia-Mission eine so wichtige Schlüsselkomponente wie das Spektrometergitter liefern konnten«, sagte er nach der Veröffentlichung des Datensatzes durch die ESA. »Dessen bis zu diesem Zeitpunkt einzigartige technologische Lösung war nur durch die Kombination des Prinzips optischer Metamaterialien mit der hochauflösenden lithographischen Strukturierungstechnologie möglich. Gerade jetzt, da sich die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse der Mission zeigen, erhalten wir immer noch viele positive Rückmeldungen aus der Community. Für uns war das der Einstieg in eine Vielzahl nachfolgender Space-Projekte.«
Die Instrumente, die zur Vermessung der Sterne ins Weltall gebracht werden, müssen extrem hohen technischen Ansprüchen genügen. Um diese erfüllen zu können, arbeitete das Team von Uwe Zeitner in engem Austausch mit Experten der Friedrich-Schiller-Universität Jena. »Das Gitter auf dem Satelliten ist im Wesentlichen eine Gemeinschaftsleistung zwischen den Mikrostrukturierungsgruppen des Fraunhofer IOF und dem Institut für Angewandte Physik in Jena«, so Zeitner. Bei möglichst leichter und kompakter Bauweise sollen die Bauteile den Vibrationsbewegungen beim Start sowie den starken Temperaturschwankungen während der Reise durch den Orbit standhalten und dabei präzise Messergebnisse liefern. Bereits im Januar 2009 konnte das Fraunhofer IOF seine Kompetenzen in diesem Bereich unter Beweis stellen und wurde im Ergebnis einer Machbarkeitsstudie als Lieferant für die Flugmuster des Gitters ausgewählt.